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Die Utopiemaschine.
„Das Nichtseiende zu sagen, gelingt uns mit Hilfe des Konjunktivs, des Märchens, des erhabenen Vorsatzes, der frommen Lüge und der Utopie.”
Wolf Schneider.
Utopie wird gesucht, gefunden und vernichtet – längst zerstörte Utopie wird angehäuft, wieder verdichtet und raumfüllend.
Eine Utopiemaschine. Schon der Titel ist voller Paradoxien. Eine Maschine wird dort gebraucht, wo in kurzer Zeit viele, gleichartige Dinge produziert, besser reproduziert werden. Das kann mehrere Gründe haben: Entweder erfolgt die massenhafte Anfertigung aus Gründen eines Mangels oder, wie eher vorherrschend, aus Gründen der kapitalistischen Gewinnmaximierung, also einer Überproduktion in Erwartung, dass das Produzierte schon bald durch Neues ersetzt werden muss.
Das Wort „Utopie” besagt in seiner ursprünglich altgriechischen Bedeutung „Nicht-Ort” und ist damit per se zwar etwas Denk- nicht aber Realisierbares. Nicht ganz, die Technik zeigte sich zwar nicht fähig, die mit diesem Begriff verhafteten Hoffnungen zu erfüllen, aber „Nicht-Orte” wurden zumindest als technische Errungenschaft Realität.
Die zweintopf’sche Utopiemaschine durchforstet einen zeitgenössischen Nichtort – das Internet – der durchaus in einer großen Utopientradition steht. Schon die Humanisten des 16. Jahrhunderts (z. B. Erasmus von Rotterdam) erkannten im Buchdruck den Wandel von Gedächtnisverortungen in U-Topoi. Dieser erweist sich als äußerst praktisch, da Erfahrungen nun nicht mehr personengebunden sind und so über den physischen Tod hinaus verfügbar werden. Die Utopie besiegt also Ort und Zeit. Das Internet als Nichtort, also Utopie, liefert uns zum Thema 3 340 000 Ergebnisse (Googlesuche vom 15.04.2009). Diese Abhandlungen, Träume, Märchen, Ideen sind der Rohstoff der Maschine.
Was können wir uns von einer Utopie erwarten? Sind wir nicht alle ein wenig utopienmüde? Das 20. Jahrhundert, das durchaus als ein Zeitalter der Utopienausführung in die Geschichte eingehen wird, hinterlässt uns mit zwei realutopistischen Katastrophen – Nationalsozialismus und Kommunismus – ein schweres Erbe. Hat der Generalplan damit ausgedient und ist die Utopie in Individualgefüge abgewandert? Der Neujahrsvorsatz als letzte Stätte eines individualutopistischen Tröstungsszenarios. Wir wollen nicht schadenfroh sein, aber die Krise der Utopie ist ein willkommener Reibebaum, der dem innewohnenden Dogmatismus wohltuend entgegen wirkt.
Was will dabei die Utopiemaschine?
Sie ist ein absurdes Gebilde. Ein Mittler zwischen den Kräften. Erschaffung und Zerstörung zugleich. Die Hoffnung in der Hoffnungslosigkeit. Dabei stellen die zerstörten Ideen den Schutt, aber auch den Baustoff für zukünftige Ideengebäude. Die Maschine reproduziert Ideen, die durch ihre Formulierung eine Zukunft wahrscheinlicher erscheinen lässt oder besser formuliert: Sie ist nach Arno Schmitts Definition für den Konjunktiv – „eine innere Auflehnung gegen die Wirklichkeit.”
zweintopf
Eva Pichler
Geb. 1981 in Graz, Künstlerin, Kunsthistorikerin, Studentin Ausstellungs- und Museumsdesign
Gerhard Pichler
Geb. 1980, Künstler, Architekt, Student der Philosophie
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